(uhg). Kleinkunst, so wie man sie sich vorstellt: ein überschaubarer Raum mit nostalgischer Bühne, Künstler zum Anfassen, viele spritzige Ideen, ein paar minimale Pannen und vor allem viel zu lachen: Das alles bot das Zwei-Mann Kabarett „Der Kranke und sein Pfleger“ in der „Kleinen Bühne“ in der Bleichstraße. Die Zuschauer aller Altersgruppen waren am Ende eines 90-Minuten-Programms der „Therapeutischen Breitband Comedy“ (so der Untertitel) begeistert und sparten nicht mit Applaus.
Allein die Eintrittskarten waren einen Besuch wert: Ein kopierter „Beleg über die Zahlung der Praxisgebühr“. Name des Versicherten: Kleine Bühne, Bleichstraße 28. Viele Besucher kannten die kleine Spielstätte in Regie des Tinko-Theaters mitten in Gießens Kneipen- und Studentenviertel noch nicht, obwohl das Haus mittlerweile seit Schließung des Juks-Theaters schon seit zwei Jahren arbeitet.
Politische Science Fiction im Jahr 2090
Was war hier nun also am Wochenende zu erleben. „Ein Quantum Schmerzmittel“ nennt sich das Programm, das mit einem furchtbaren Anfall von Schmerzmittelentzug und Herzattacken des Protagonisten Lars beginnt, dann aber flugs als politische Science Fiction im Jahr 2090 weiter geht. Die Nordseeküste verläuft mittlerweile bei Hannover, wie aus den Nachrichten im Off zu hören ist. Ein Arzt steht nur noch den Privatversicherten zur Verfügung, alle anderen müssen auch im Notfall am Telefon in der Warteschlange ausharren.
Das hört sich dann so an: „Wenn Sie Ihren Puls fühlen, drücken sie die Eins, fühlen Sie keinen Puls, drücken sie die Zwei.“ Um diesem Irrsinn zu entgehen, lässt sich Lars auf eine Zeitreise ins Jahr 2010 ein. In dieser Zeit aber, man ahnt es schon, ist es auch nicht viel besser. Nicht nur die Gesundheitspolitik steht auf dem Prüfstand, auch internationale Brennpunkte wie der Krieg in Afghanistan oder das Erdbeben in Haiti bleiben nicht ausgespart. Lars kommt in der Gegenwart ebenso wenig zurecht und landet in der geschlossenen Abteilung. Der Pfleger fertigt den Kranken ruckzuck ab, und das Tag für Tag: „Guten Morgen-Waschen-Essen-Schieber-Schlafen“. Letzteres per Injektion herbeigeführt.
Kritik an Missständen auf Kranken- und Pflegestationen
Eine bittere Kritik an Missständen auf Kranken- und Pflegestationen, wie sie immer noch anzutreffen sind, aber mit einer gehörigen Portion Humor und Joghurt präsentiert. Die ganze Szenerie endet in der Anarchie und wer nicht richtig aufgepasst hat, weiß am Ende nicht, ob er sich im Jahr 2010 oder 2090 befindt.
Eine Superleistung der beiden Kabarettisten Lars Brückmann und Martin Schmidt, die hauptberuflich als Theaterpädagoge und als Krankenpfleger arbeiten, aus der heimischen Region stammen und bald wieder auf der kleinen Bühne auftreten wollen.